Der Eingang zum Labor liegt auf der Rückseite des Gebäudes. Darin zwei Computer, ein paar Maschinen und ein zunächst unscheinbarer, etwa drei Meter hoher Schrank. In dessen Türen sind kleine schwarze Glaselemente eingebaut. Tritt man näher und blickt durch das Glas, versteht man sofort ihre Funktion: Diese Fensterchen sind kleine Schutzbrillen. Denn im Inneren des Schrankes rast ein Schweißkopf voll automatisiert über eine Platte und baut Schicht für Schicht eine Struktur auf.
Neben der Maschine steht Christoph Dietenberger. Er hat 2023 den Masterstudiengang Produktentwicklung im Maschinenbau an der RWU abgeschlossen. Und er hat diese Maschine gebaut. Besser gesagt: Er war Ideengeber und treibende Kraft in dem Team, das an der RWU diesen Metall-3D-Drucker entwickelt hat, Projektname: WIRED3D.
„Vor rund zehn Jahren liefen die Patente aus, dann begann der Hype um den 3D-Druck“, sagt Christoph Dietenberger. Er war damals beruflich in diesem Bereich tätig. „Und ich habe gleich gedacht, das muss in Metall und es muss groß.“ Er beginnt in der heimischen Garage mit der Arbeit. Doch erst sein Masterstudium und die Mitarbeit an der RWU bieten die entsprechenden Rahmenbedingungen zur Fertigstellung der Maschine. Würde man damit den prototypischen, schwäbischen Tüftler ausdrucken, er wäre Christoph Dietenberger vermutlich gar nicht so unähnlich.
Zweieinhalb Kilo Stahl druckt die Maschine in der Stunde
Die Maschine wiegt etwa eine Tonne. Der Boden in dem neuen Labor wurde extra dafür ausgerichtet, damit nichts ins Wanken gerät. Es können Bauteile bis zu einer Höhe von 1,5 Meter gedruckt werden. Die Grundfläche kann bis zu 50 mal 50 Zentimeter groß sein. Zweieinhalb Kilo Stahl druckt die Maschine in der Stunde. Der Schweißkopf schmilzt den zugeführten Draht bei 1.500 Grad und baut daraus das digital konstruierte Bauteil auf, Schicht für Schicht in einem zuvor definierten Muster.
„Diese Muster nennen wir Druckroutinen. Sie sind sehr entscheidend für die späteren Werkstoffeigenschaften“, erklärt Lukas Eichhorn, der sich im Wesentlichen um die Steuerung und Programmierung kümmert. Als die Maschine fertig war und die ersten Teile rauskamen, standen die Ingenieure zunächst vor einem Problem. Es macht einen großen Unterschied, ob der Druckkopf kreisförmig oder im Zickzack fährt. Jedes Bauteil braucht eine andere Strategie. Mittlerweile hat das junge Team viele verschiedene Strategien gedruckt, alle Prozessdaten dokumentiert und die Ergebnisse im Materialprüflabor getestet. „Wir wissen mittlerweile ziemlich genau, wie wir vorgehen müssen, um vorgegebene Eigenschaften zu erreichen“, sagt Christoph Dietenberger.
Jonas Leible ist der dritte im Bunde. Auch er ist Absolvent der RWU und hat in seiner Abschlussarbeit den neuen Druckkopf entwickelt, mit Schweißbrenner, Kühlung, integrierter Absaugung und der gesamten Sensorik und Kameraüberwachung. Die Maschine erkennt über eine Kamera die Höhe der Schichten und macht selbständig Anpassungen. „Aber nicht nur wir drei haben an der Maschine gebaut. Aus der ganzen Fakultät kam Support“, sagt Christoph Dietenberger, „Lars Franke zum Beispiel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Strömungstechnik, aber er ist auch ein absoluter Experte für Industrie-Automation. Er hat schon in der Anfangsphase des Projekts dafür gesorgt, dass wir bei der Steuerung auf die richtigen Komponenten setzen.“
Die Vorteile liegen auf der Hand
„Was dieses Team geschaffen hat, ist grandios“, sagt stolz der Dekan der Fakultät Maschinenbau, Professor Dr. Thomas Glogowski. Und Professorin Dr. Theresa Breckle, die in der Fakultät für die additive Fertigung zuständig ist, ergänzt: „Davon profitieren wir alle, vor allem unsere Studierenden.“ So würden etwa die Materialprüfungen in den Laboren vor Ort durchgeführt und die entstandenen Teile hinsichtlich ihrer Eigenschaften charakterisiert.
Die Materialeigenschaften sind der Punkt, an dem Christoph Dietenberger immer wieder auf kritische Nachfragen antworten muss. „Beim Guss gibt es jahrhundertelange Traditionen und das Material ist genau spezifiziert. Was wir machen ist dagegen zu großen Teilen reine Empirie, wir testen und sammeln Erfahrungen“, sagt der 36-Jährige. Mit jeder Veränderung eines Prozessparameters verändern sich die Materialeigenschaften. Wie liegt das Bauteil auf der Trägerplatte? In welchem Muster wird gedruckt? Mit welcher Geschwindigkeit? Es können auch verschiedene Materialen kombiniert werden. So kann ein Zahnrad an der Außenfläche aus einem härteren Stahl gefertigt sein als im Inneren.
Auch wenn dem gedruckten Stahl oft noch mit Skepsis begegnet wird, etliche Vorteile liegen auf der Hand: So fällt deutlich weniger Abfall an, wie wenn ein Bauteil aus einem Block gefertigt wird. Die Herstellung erfolgt zudem werkzeuglos, es müssen keine Formen für den Guss oder die Presse angefertigt werden.
Kleine Stückzahlen für Prototypen und die Beschaffung von Ersatzteilen
Kommt das Teil aus dem Drucker, ist es jedoch noch nicht fertig. Die Oberfläche ist noch roh, besteht sie doch aus einer Häufung von Schweißnähten. In der computergesteuerten Fräse wird das Teil auf den hundertstel Millimeter in Form gebracht. Schließlich trennt eine Metallbandsäge den glänzenden Stahl von der Trägerplatte, auf der der Druck aufgebaut worden war. Auch diese Säge haben Dietenberger, Eichhorn und Leible selbst gebaut.
„Fünf Bauteile der Säge haben wir selbst gedruckt. Sonst hätten wir sie gießen lassen müssen“, sagt Lukas Eichhorn. Und Christoph Dietenberger ergänzt: „Für kleinere Bauteile brauchen wir ungefähr zwei Tage, einen für den Druck und einen für die Nachbearbeitung. Bei größeren Teilen kann es bis zu einer Woche dauern. Aber auf ein Gussteil wartet man zurzeit 30 Wochen.“
Die neue Maschine findet bereits Anwendung in der Lehre. Doch die drei Ingenieure suchen dafür auch nach Partnern über den Campus hinaus. Egal, ob im Prototypenbau oder bei der Beschaffung von Ersatzteilen, die drei sind sich sicher, dass sie flexibler, schneller und – bei kleinen Stückzahlen – auch günstiger sind als herkömmliche Verfahren. „Wir sind auf der Suche nach Partnern, denen wir mit unserem Metall-3D-Druck helfen können“, sagt Christoph Dietenberger. „Mit jedem Teil, das wir herstellen, sammeln wir Erfahrungen und können damit genauere Aussagen über seine Eigenschaften machen.“
Verlässt man das kleine Labor wieder durch die Hintertür, blickt man sehr unspektakulär auf Weiden und Wald. Aber man geht mit dem Eindruck, dass hinter dieser Tür etwas Außergewöhnliches passiert, dass sich da eine Handvoll Tüftler gefunden hat, die keine Ruhe geben, solang es noch eine offene Frage gibt. Oder, wie Thomas Glogowski sagt: „Man sieht mal wieder, die guten Leute finden sich.“
Text/Foto: Christoph Oldenkotte
Video: Alec Weber