Weingarten –Beim Roll-Out des Formula Student Teams Weingarten (FSTW) stellte das Team aus Studierenden der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU) die beiden neu konstruierten Rennwagen für die Saison 2021 vor. Was sonst eine spektakuläre Veranstaltung mit vielen Gästen und Gänsehautmomenten ist, wurde dieses Jahr ins Internet verlagert. Der Spannung tat das keinen Abbruch.
Am Montagabend schalteten sich rund 700 Zuschauer*innen ein, um der Enthüllung der beiden Stinger-Modelle beizuwohnen. Nach einem Grußwort von Rektor Professor Dr. Thomas Spägele und der Einführung in die technischen Neuerungen durch das FSTW, hieß es dann endlich: „Hier sind unsere Stinger 21C und 21D.“
Mit dem Stinger 21C nimmt das Team erneut an der Formula Student Combustion teil, der Disziplin für Verbrennungsmotoren. Der fahrerlose Stinger 21D wurde für den Driverless-Wettbewerb entwickelt, an dem das FSTW seit der Saison 2018 teilnimmt.
Ein Rennwagen aus einem Guss
Auch in dieser Saison hofft das FSTW den entscheidenden Wettbewerbsvorteil durch Innovationen in der Bauweise zu erlangen. „Der 21C ist unser erster Stinger, dessen Chassis komplett aus einem Guss ist“, erklärt Simon Dischl, einer der Technischen Leiter. „Ältere Modelle hatten immer einen Stahlrahmen. Das Fahrgestell des Stinger 21C besteht aus reinem carbonfaserverstärktem Kunststoff. Mit so einem Monocoque erreichen wir mehr Steifigkeit bei einem deutlich verringerten Gewicht.“
Simon Dischl ist überzeugt, dass sich das in der Praxis auszahlen wird. „Bei der Geschwindigkeit, mit der wir in die Kurven fahren, wirken starke Kräfte auf das Fahrzeug, die das Chassis verformen. Mit der erhöhten Steifigkeit können wir diesen Kräften besser entgegenwirken.“ Zudem habe man durch diese Fertigungsweise mehr Freiheiten in der Form gewonnen. „Wir konnten das Fahrzeug mit Blick auf seine Aerodynamik freier optimieren.“
Eine weitere Neuerung ist das entkoppelte Hub- und Rolldämpfersystem, das als Masterarbeit des RWU-Alumnus Julian Borowski entstanden ist. Prinzipiell wirken beim Fahren zwei Kräfte auf das Fahrwerk: eine Rollkraft, die den Wagen in Kurven zum Kippen bringen könnte und eine Hubkraft, die das Fahrzeug etwa beim Abbremsen auf und ab bewegt. Mit dem neuen Dämpfersystem lassen sich diese Bewegungen unabhängig voneinander und damit effizienter kontrollieren.
Gratwanderung zwischen Agilität und Stabilität
Der zweite Star des Abends ist der autonom fahrende Stinger 21D. Statt eines Piloten erfassen hier zwei Kameras und ein Radarsensor die Umwelt des Fahrzeugs. Die künstliche Intelligenz, die diesen sensorischen Input verarbeitet und den Wagen steuert, wurde vom Team selbst entwickelt. Der Faktor Mensch fällt damit weg, aber der Computer hat wiederum eigene Herausforderungen.
„Wie jeder Rennwagen fährt sich der Stinger 21D ziemlich spitz, auch für die KI“, sagt Simon Dischl. Gehe man etwa nur ein wenig zu schnell in die Kurve, könne direkt das Heck ausbrechen. „Das wieder schnell unter Kontrolle zu bringen ist schon für Menschen schwer, aber für die KI kaum zu leisten.“ Als Konsequenz habe man das Fahrwerk des 21D so ausgelegt, dass das Fahrverhalten möglichst vorhersehbar sei, so Simon Dischl. „Wir haben den Fokus auf Stabilität und weniger auf Agilität gelegt.“
Engagement, Geduld und Unterstützung
Thomas Spägele hob die Leistung des Teams unter den Pandemiebedingungen hervor. „Das war nicht einfach. Es brauchte viel Engagement und viel Geduld“, sagte der Rektor. „Es ist ein ganz besonderes Beispiel geglückter Zusammenarbeit, dass unter solchen Bedingungen so tolle Wagen entstanden sind.“ Er gratulierte dem Team und bedankte sich bei den Sponsoren für die Unterstützung.
Keine Selbstverständlichkeit, denn auch die Sponsoren waren mit Herausforderungen konfrontiert, die sich auf die Zusammenarbeit mit dem FSTW auswirkten. „Es kam zu Verzögerungen in der Fertigung benötigter Teile, weil in den Werkstätten weniger Kapazitäten frei und viele Mitarbeiter in Kurzarbeit waren“, blickt Diana Becherer zurück.
Das FSTW musste Konsequenzen ziehen. Der Start des geplanten E-Rennwagens wurde auf die nächste Saison verschoben. „Drei Autos zu konstruieren, das war unter den gegebenen Umständen einfach nicht möglich“, sagt die Teamleiterin für Finanzen und Organisation.
Saisonstart in Österreich
Geschraubt und getestet wird an den Fahrzeugen noch bis zum Start der Wettbewerbe. An dreien wird das FSTW dieses Jahr teilnehmen, beginnend mit dem FS Austria am 25. Juli. Im Anschluss geht es nach Spanien und schließlich zum Saisonabschluss nach Kroatien.
Text: Michael Pfeiffer