Menschen mit Autismus in unsere Arbeitswelt zu integrieren, das war das gemeinsame Thema eines Treffens an der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU), an dem neben der Hochschule Kempten auch die Unternehmen Dell und Auticon beteiligt waren.
Bereits im vergangenen Sommersemester 2019 hatten Lehrveranstaltungen und Abschlussarbeiten aus unterschiedlichen Fachrichtungen zu dem Thema stattgefunden. Dabei wurde beispielsweise besonderen Bedürfnissen, wie einer erschwerten Erkennung von Mimik und Emotion, durch die Unterstützung mit künstlicher Intelligenz begegnet.
„Hier findet Forschung mit Betroffenen und nicht über Betroffene statt“, so Professorin Dr. Cornelia Burghardt-Eggert, die von Seiten der Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege an dem Projekt beteiligt ist und die Studierenden durch ethische Reflexion begleitet. „Diese Arbeit fördert nicht nur die gesellschaftliche Integration von Menschen mit Autismus, sie formt auch die Haltung junger Studierender.“
Neuer Blickwinkel auf gesellschaftliche Fragestellungen
Im neuen Semester werden diese Fragestellungen und Projekte nun vertieft. „Wir überlegen, wie Studierende neue Kommilitoninnen und Kommilitonen aus dem autistischen Spektrum in den Hochschulalltag integrieren können. So könnte ein ‚Buddy-Programm‘ den speziellen Bedürfnissen begegnen“, sagt Professorin Dr. Barbara Niersbach, die das Kooperationsprojekt an der RWU leitet. Darüber hinaus sei es interessant, Kommunikationsstrukturen in Unternehmen anzusehen und diese für Menschen mit Autismus anzupassen, ergänzt Professor Jürgen Graef, der das Projekt aus der Fakultät Elektrotechnik und Informatik unterstützt.
Auch die Rektoren der beiden Hochschulen, Professor Dr. Wolfgang Hauke (Hochschule Kempten) und Professor Dr. Thomas Spägele (RWU), betonten die gesellschaftliche Bedeutung des Projektes. „Fakultäts- und hochschulübergreifend, zusammen mit der Gesellschaft und Unternehmen führt uns diese Kooperation vor Augen, welche verbindende Wirkung unsere Arbeit haben kann“, sagte Thomas Spägele.
Herrmann Gerwig von der Firma Auticon in Stuttgart berichtete über die Entstehungsgeschichte des Unternehmens, welches hauptsächlich Menschen aus dem autistischem Spektrum für IT-Projekte einstellt. Der Unternehmensgründer, selbst Vater eines Sohnes mit Autismus, hatte früh erkannt, dass die betroffenen Menschen besondere Bedürfnisse im Arbeitsalltag haben und Rahmenbedingungen benötigen, um lange und zielführend am Arbeitsmarkt bestehen zu können.
Überdurchschnittlich viele Autisten in Deutschland sind arbeitslos
Fakt ist, dass überdurchschnittlich viele Autisten in Deutschland arbeitslos sind. Die Herausforderungen zum Bestehen in einem Arbeitsverhältnis sind vielfältig. Sie betreffen den Arbeitsplatz, das Team, die Führung, die Rahmenbedingungen, die Strukturen und Prozesse in Unternehmen. Hier benötigen Menschen im autistischen Spektrum spezielle Unterstützung, um ihre Arbeitsleistung einbringen zu können.
Das Projekt wird durch ein didaktisches Konzept begleitet. „Die Projektorientierung erhöht die Motivation“, sagt Irena Schreyer vom Didaktikteam der RWU. Gleichzeitig finde durch das forschende Lernen ein hoher Wissenszuwachs statt, und der Theorie-Praxistransfer werde gefördert. Das Didaktik-Konzept wird vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gefördert, wodurch die umfängliche Kooperation zwischen den beteiligten Hochschulen und Unternehmen möglich wurde.