Ingenieurinnen und Ingenieure nutzen zunehmend das eigene Tablet oder Smartphone für ihre Arbeit. Diesen „Bring Your Own Device“-Ansatz (BYOD) könnte man doch in den Bereich der Lehre übertragen, dachte sich Professor Dr. André Kaufmann, Studiendekan des Studiengangs Fahrzeugtechnik an der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU). Digitale Medien sind für Studierende omnipräsent und werden bereits für die verschiedensten Zwecke eingesetzt.
Ziel von Kaufmann ist es, einfache Demonstrationsversuche für Lehrveranstaltungen zu konzipieren, bei denen Studierende mittels ihres mobilen Endgerätes direkten Zugriff auf den Versuch haben. Dabei sollen nicht nur theoretische Zusammenhänge nachvollzogen werden, der Laborversuch kann außerdem direkt über das Smartphone beeinflusst werden. Wie die begleitende Forschung zeigt, wirken der starke Praxisbezug und die digitalen Lernwerkzeuge motivierend auf die Studierenden. Dieses Ergebnis führte zu einer Ausdehnung der Lernmethode. Gefördert wird das Projekt „zur digitalen Partizipation in der Präsenzlehre“ vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst.
Übertragung macht Versuche für die Studenten erlebbar
Bereits seit 2017 verfolgt die RWU ein fächerübergreifendes und vernetzendes Lehrkonzept, bei welchem eine Motorsäge als sogenanntes Produktleitbeispiel zum Einsatz kommt. Als Weiterentwicklung wurde im Rahmen studentischer Projektarbeiten eine akkubetriebene Motorsäge der Firma STIHL mit verschiedenen Sensoren und einem Einplatinencomputer ausgestattet. Dank des Umbaus können nun in der Lehrveranstaltung Messwerte wie Stromstärke, Spannung oder Motordrehzahl während des Betriebs erfasst und den Studierenden auf ihrem digitalen Endgerät zugänglich gemacht werden.
Für Professor Dr. Ralf Stetter, an der RWU verantwortlich für den Bereich Konstruktion und Entwicklung in der Fahrzeugtechnik, macht die Darstellung auf dem eigenen Endgerät die Versuche für die Studierenden erlebbar, denn diese werden in ihrer Lebenswelt abgeholt und aktiv in den Wissenserwerbsprozess eingebunden. „Zusätzlich können in Lehrveranstaltungen, wie der Mess- & Regelungstechnik oder Elektrotechnik, neue didaktische Konzepte erprobt werden“, sagt Stetter. Immer mehr technische Produkte würden durch interdisziplinäres Zusammenwirken verschiedener Fachrichtungen entstehen, weshalb nicht nur fachliches Knowhow, sondern auch digitale Medienkompetenz gefragt sei.
Um diese Interdisziplinarität und den Kompetenzerwerb weiter zu stärken, stellt die Firma STIHL der RWU das STIHL MS 500i-Techboard für Lehrzwecke zur Verfügung. Beim Techboard handelt es sich um eine teilzerlegte Motorsäge mit digitaler Schnittstelle, welches ursprünglich für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen entwickelt wurde. An der RWU ergänzt es die Lehre durch die Nutzung von Echtzeitdaten, die auf den mobilen Endgeräten bereitgestellt werden. Dieser innovative Einsatz des BYOD-Ansatzes führt zu einer Erweiterung und Abwechslung der klassischen Lehrmethoden.
Kooperation zur Unterstützung der schulischen MINT-Fächer
Auch Professor Dr. Joachim Rottmann, welcher seitens der Pädagogischen Hochschule Weingarten die Maßnahmen an der RWU begleitet, sieht im BYOD-Konzept viel Potential individualisiertes und differenziertes Lernen zu fördern. „Um das Konzept jedoch pädagogisch-didaktisch sinnvoll in die Lehrveranstaltungen einzubetten, sollten auch Lehrkräfte an Schulen zum Thema digitaler Medienkompetenz entsprechend weiterqualifiziert und die dortige Infrastruktur gestärkt werden“, sagt Rottmann.
Derzeit wird gemeinsam mit den Verantwortlichen der lokalen Gymnasien über eine mögliche Kooperation diskutiert. Die Bereitstellung BYOD-fähiger Laborversuche soll zur Stärkung der dortigen MINT-Fächer beitragen.