Wie sich Familie und Beruf unter einen Hut bringen lassen, das weiß Dr. Daniela Kahlke. Im Expertinnen-Interview der Familiengerechten Hochschule (fgh) am 08. Dezember 2022 beantwortete sie alle Fragen rund um Karriere und Beruf sowie den Tätigkeitsbereich Hebammenwesen. Das Expertinnen-Interview ist eine Veranstaltungsreihe der fgh, bei der Fragen im Vorfeld auf Moodle formuliert werden können. Ergänzend können Fragen vor Ort eingebracht werden.
Daniela Kahlke hat an der RWU studiert, als sie im siebten Semester ihr erstes Kind bekam. Auf das Bachelorstudium folgte das Masterstudium und schließlich die Promotion an der PH Weingarten. Mit mittlerweile zwei Kindern wurde sie im September 2022 frisch promoviert und wird dem Ruf einer Professur für Angewandte Hebammenwissenschaft an die DHBW Heidenheim folgen. Wie hat sie es geschafft, Familie und Karriere bzw. Promotion unter einen Hut zu bringen? Anbei die Verschriftlichung des Expertinnen-Interviews.
Haben Sie Tipps, wie sich Karriere und Familie gut vereinbaren lassen?
„Zuallererst habe ich den Anspruch an mich selbst geprüft: Was kann oder muss ich abgeben? Wer betreut die Kinder, wann gehe ich einkaufen? Wichtig ist auch, sich realistische Meilensteine zu setzen und sich immer wieder an diese zu erinnern. Oft helfen auch Mantras wie: „Wenn der Plan nicht funktioniert, ändere den Plan, nicht das Ziel!“ oder „Kaffee machen, Haare hoch und einfach anfangen“.“
Was hat gut funktioniert und welche Umwege hätten Sie sich sparen können?
„Ich würde alles wieder genauso machen, aber bitte nicht ein zweites Mal durchlaufen.“
Die vorbehaltene Tätigkeit als Hebamme: z.B. eine Geburt einleiten und entbinden ohne Arzt. Wie gelangten Hebammen zu dieser gesetzlichen Regelung?
„1939 wurde das Reichshebammengesetz erlassen. Damit wurde die Hinzuziehungspflicht eingeführt: Ein Arzt muss eine Hebamme hinzuziehen, aber umgekehrt muss eine Hebamme keinen Arzt bei einer physiologischen Entbindung hinzuziehen. Diese Praxis ist im Krankenhaus natürlich üblich, außer bei innovativen Konzepten wie dem sogenannten Hebammenkreißsaal. Nur zwei Prozent der Geburten finden nicht in Kliniken statt. Trotz des geringen Anteils kämpft der Berufsstand der Hebammen dafür, dass die freie Wahl des Geburtsorts weiter möglich bleibt."
Gibt es einen Trend zu Entbindung im Geburtshaus?
„Wenn kleine Kliniken schließen, braucht es alternative Konzepte. Die Finanzierung solcher alternativen Konzepte ist in Ravensburg jedoch schwierig. Das Projekt der hebammerei Ravensburg gGmbH, ein Geburts- und Begegnungshaus zu schaffen, stellt eine Möglichkeit dar.“
Sehen Sie die Akademisierung des Hebammenwesens positiv?
„Seit dem 01. Januar 2020 gilt: Wer Hebamme werden möchte, muss ein Bachelorstudium absolvieren. Bis zum 31. Dezember 2022 gibt es für die bisherige Hebammenausbildung nach dem Hebammengesetz von 1985 jedoch eine Übergangsfrist. Bis dahin können Hebammenschulen noch neue Kurse starten, wenn die Schülerinnen und Schüler bis 2027 ihre Ausbildung abgeschlossen haben werden.
Die Akademisierung wird schon lange vom Berufsstand gefordert. Schon jetzt bringen die meisten Auszubildenden Abitur mit. Die Angst vor einem 2-Klassen-System – Hebammen mit und ohne Studium – sehe ich als unbegründet. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich beide Ausbildungsformen gut ergänzen und gegenseitige Wertschätzung besteht.“
Nehmen Ärztinnen und Ärzte Hebammen nun mehr als ebenbürtige Partner wahr?
„Die Sozialisation und Sprache von Ärzten und Hebammen ist unterschiedlich. Die Herausforderung liegt darin, sich auf eine gemeinsame Sprache zu einigen. Mit der Akademisierung lässt sich auch beobachten, dass Hebammen Ärzte mit ihren eigenen Waffen schlagen, wenn sie feststellen, dass nicht evidenzbasiert vorgegangen wird.“
Wenn eine Hebamme vermeintlich ärztliche Fehler identifiziert, darf die Hebamme sofort dagegen intervenieren? Hat sie die Beweislast bzw. -pflicht?
„Die Hebamme hat die Remonstrationspflicht, d.h. das Recht bzw. die Pflicht, fachlich falschen Anweisungen der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen widersprechen zu können und auch zu müssen, da Hebammen sonst im Schadensfall haften. Tatsächlich muss eine Hebamme in vielen Bereichen die Verantwortung übernehmen, sonst würde sie ihren Beruf nicht ausführen können."
Hier geht's zur Bildergalerie.