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Internes Audit in der JVA Ravensburg

Ein Tag im Gefängnis

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V.l.n.r. hinten: Peter Kemmer (VAW), Gerhard Klett, Timur Elmas (RWU), Johann Kleinheinz, Jürgen Krämer, Markus Möhrle (VAW); vorne: Ella Kiechle, Ulrike Reck-Obert (RWU), Jessica Heidenreich (Geschäftsführerin VAW), Natalie Gründler, Lucas Kessler, Laura Jäger (RWU)
Quelle:
JVA

Im Rahmen des Wahlfachs „Audit“ der Studiengänge „Wirtschaftsingenieurwesen“ und „Betriebswirtschaftslehre und Management“ führten die Studierenden am 2. und 3. Mai 2024 im Vollzuglichen Arbeitswesen (VAW) der Justizvollzuganstalt Ravensburg ein internes Audit in den Bereichen Qualitätsmanagement und Arbeitssicherheit durch. Interne Audits sind notwendig, um eine Rezertifizierung eines bereits bestehenden Zertifikats sicherzustellen. Die JVA lässt dieses Audit schon seit mehreren Jahren von Studierenden der RWU durchführen, die unvoreingenommen, neutral und mit einem frischen Blick die internen Abläufe von außen betrachten und bewerten sollen.

So auch dieses Jahr. Nach gründlicher theoretischer Vorbereitung an der Hochschule konnten die vier Studierenden am frühen Morgen des 2. Mai 2024 an der JVA Ravensburg in die Auditpraxis schreiten. Ihre Aufgabe war es, in den Montage- und Eigenbetrieben der JVA einerseits die Arbeitssicherheit zu prüfen und andererseits die Anforderungen an das Qualitätsmanagement. Die Gruppe der Arbeitssicherheit überprüfte u. a. den Umgang mit Gefahrenstoffen, verifizierte deren korrekte Kennzeichnung und checkte überwachungspflichtige Anlagen wie z. B. Leitern, Feuerlöscher und Regale. Die QM-Gruppe war für die Gewährleistung der Qualität zuständig. Dazu untersuchte sie u. a. die Wareneingangs- und Ausgangskontrolle, Arbeitsabläufe sowie Arbeitsanweisungen. Beide Gruppen sprachen dabei sowohl mit einzelnen Häftlingen als auch mit den für sie verantwortlichen Werkdienstmitarbeitern.

Neben all den Aufgaben, welche die Studierenden konzentriert und gewissenhaft abarbeiteten, gab es jedoch auch jede Menge über den Haftalltag zu erfahren. So durfte die Auditgruppe unterschiedliche Arten von Zellen betreten, durch unterirdische Gänge in die verschiedenen Montagebetriebe gehen oder in der JVA-Kantine essen, wo die Mitarbeitenden das gleiche Mittagessen bekommen wie die Häftlinge – und von letzteren auch zubereitet wird. Sie wurde in die JVA-Küche geführt und in die Räume der Arbeitstherapie, einem speziellen Ansatz zur Resozialisierung. Die Studierenden und ihre Begleiter konnten jederzeit alle Fragen stellen, die ihnen auf der Zunge brannten. Dabei erfuhren sie auch, dass das Vollzugliche Arbeitswesen an der JVA aus zwei Arten von Betrieben besteht: Da sind zunächst die Eigenbetriebe wie eine Schreinerei, Schlosserei, eine Maler- und Lackiererei, eine Kfz-Werkstatt und ein Betrieb für Feinwerktechnik, in denen Inhaftierte auch selbst Artikel produzieren, welche dann im VAW Online-Shop von jedermann käuflich erworben werden können. Auch eine Ausbildung als Schreiner, Maler, Kfz-Mechaniker, Werkzeugmechaniker, Elektriker oder Schlosser zu machen ist in diesen Eigen- und Ausbildungsbetrieben für die Gefangenen möglich. Qualifizierungsbausteine, Staplerkurse, Reinigerkurse und Schweißkurse sind ebenfalls Kurzausbildungen, die das Resolzialisierungskonzept ergänzen. Darüber hinaus gibt es Montagebetriebe, die als sog. „verlängerte Werkbank“ fungieren, also Lohnfertigungen, wohin also Unternehmen bestimmte Arbeiten in Auftrag geben.

Der zweite Audittag führte das Auditteam in die Außenstelle Bettenreute, wo die Gefangenen im offenen Vollzug wohnen und arbeiten, vor allem in der Holz- und Landwirtschaft. Dort wiederholten sich die Überprüfungen, dabei wurde die Gruppe über das stattliche Anwesen geführt und durfte das mittelalterliche Wasserschloss besichtigen, wo normalerweise die Gefangenen wohnen, derzeit aber Sanierungsarbeiten im Gange sind. Ein Schwerpunkt der Häftlinge liegt in Bettenreute auf der Arbeit mit Tieren. Wie wichtig diese Arbeit ist, erklärt Thomas Hübschle, Leiter der Außenstelle Bettenreute: „Die Gefangenen lernen durch Arbeiten mit den Tieren wie Füttern, Melken, Pflegen nicht nur den Umgang mit ihnen, sondern auch soziale und emotionale Kompetenz. Wenn da einer mal dabei war, wie ein Kälbchen zur Welt kam – das macht was mit ihm.“ Die Gefangenen sollen lernen, eine Beziehung aufzubauen und Vertrauen zu fassen. Oft sind bei Ihnen das Kommunikationsverhalten, die Fähigkeit zur Selbstreflexion, die Impulskontrolle und Empathiefähigkeit eingeschränkt. Hier greift die tiergestützte Therapie.

Beide Tage wurden beendet mit einem Abschlussgespräch zusammen mit dem Auditteam, Frau Heidenreich und den Mitarbeitern des VAW. Der Auditbericht, den die Studierenden nun zu verfassen haben, ist Teil der Prüfungsleistung im Modul „Audit“ und wird der JVA nach Fertigstellung zugesandt.

Für die Studierenden und ihre Begleiter waren die beiden Tage an der JVA eine beeindruckende Erfahrung und eine einmalige Gelegenheit, einen so tiefen Einblick in eine „andere Welt“ zu bekommen. Herzlichen Dank an Jessica Heidenreich, Geschäftsführerin des Vollzuglichen Arbeitswesen sowie Markus Möhrle und Peter Kemmer, die normalerweise als Meister und Justizvollzugbeamte mit den Inhaftierten arbeiten, sich aber zwei Tage für das Auditteam Zeit genommen haben. Ein großes Dankeschön auch an Thomas Hübschle für seine Zeit und die vielen Infos rund um den offenen Vollzug.

Text:
Ulrike Reck-Obert